Eindrücke von der Hochwasserkatastrophe Juli 2021

Am 23. Juli um 4:45 Uhr machten wir uns auf den Weg ins Hochwassergebiet in der Eifel. Ziel war erstmal Altenahr, aber wir, Richard und ich, waren uns einig, wenn unterwegs um Hilfe gebeten wird, dann helfen wir vor Ort. Wir hatten einen 50 PS Schlepper auf dem Anhänger dabei und waren proviantmäßig für mehrere Tage ausgerüstet. Da Teile der Autobahnen durch das Hochwasser nicht befahrbar waren, halfen uns meine Ortskenntnisse, über “Schleichwege“ ins Zielgebiet zu gelangen.

So kamen wir gegen 7:30 Uhr, trotz Verbotsschildern, nach Schuld an der Ahr. Das Bild, das sich uns bot, übertraf die Bilder, die wir aus dem TV kannten. Eine Schneise der Verwüstung hatte sich durch das Dorf gefräst. Die Ahr, im Normalfall zwischen ca. 5 und 8 m breit, hatte sich auf Rheinbreite durch den Ort geschoben und alles mitgenommen, was ihr im Wege stand. Wir sahen in offene Häuser, die einem Aufriss ähnlich, dort standen. PKWs hingen vereinzelt noch in den Bäumen. Im Ort gab es eine Art Kommandozentrale der Bundeswehr, die die reichlich vorhandenen Kräfte der BW, des THW und der Feuerwehren koordinierte. Ich fragte nach, wo wir helfen könnten, aber dort konnte man uns nicht einsetzen!!?? Einen Tipp gab es aber, “fragen Sie die Bürger unten im Ort, wer noch Hilfe benötigt“. Also zogen wir samt Traktor von Haus zu Haus, bekamen aber immer wieder ein “Nein Danke“ zu hören. Vielleicht auch aus Vorsicht vor schon dagewesenen Plünderern und Dieben!!?? Dann konnten wir endlich helfen, Ölfässer, Fässer mit unbekanntem Inhalt und einen Kühlschrank auf die mitten im Dorf liegende provisorische Deponie zu bringen. In einem kurz vor der Eröffnung stehendem Gasthof halfen wir, Teppichböden rauszureißen, die noch brauchbaren Heizkörper abzubauen und den Putz von den Wänden zu entfernen. Einen Anbau, der vom Schlamm befreit werden sollte, inspizierten wir kurz und lehnten ab, da in unseren Augen einsturzgefährdet. Das nahm man uns nicht übel, denn verletzte oder gar tote Helfer nützen keinem. Wir zogen weiter durch die Straßen – überall dieser modrige Geruch. Wir kamen mit einem älteren Mann ins Gespräch, nein, Hilfe brauchte er nicht. “Vielleicht die noch älteren Nachbarn direkt nebenan, tja und noch ein Haus weiter, die sind heute Morgen abgereist und kommen NIE MEHR WIEDER!!!“ Ich hab einen Kloß im Hals, bekomme feuchte Augen, auch jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen.

Foto: Lothar van Koll

In Schuld gab es anscheinend nichts mehr für uns zu tun. Wir ließen Zugfahrzeug und Anhänger zurück und fuhren mit dem Trecker ins Nachbardorf, nach Insul. Auch hier ein Bild der Verwüstung. Und wieder zogen wir von Haus zu Haus und boten unsere Hilfe an. Ich sprach einen Herrn an, der mit der Schubkarre, schweißgebadet, Schutt aus seinem Haus fuhr. Auch er benötigte keine Hilfe, aber da drüben in dem Haus, die könnten wohl Hilfe gebrauchen. Dort angekommen gab es reichlich Arbeit – wie sich herausstellen sollte, sehr schwere Arbeit. Ein erst drei Jahre alter, großer Case Schlepper stand halbhoch quer unter einem offenen Schuppen und zwar genau vor einem Pfeiler. Also erstmal den Schlamm unter dem Traktor und an den Reifen wegschaufeln, damit man ihn rüber ziehen und dann gerade aus dem Schuppen ziehen konnte. So der Plan! Wir wurden schnell eines Besseren belehrt. Weder mit der Schaufel, noch mit dem Spaten konnte man etwas ausrichten. Der Schlamm war zwar noch weich, jedoch durchzogen mit allem, was man sich vor – stellen kann. Äste, Mais, Plastik, sonstiger Unrat, einfach alles!!! Gut, dass der Besitzer wenigstens noch eine Spitzhacke besaß, denn seine restlichen Werkzeuge waren mit der Flut weggerissen worden oder unbrauchbar. Also mit der Hacke den Boden auflockern und mit den Händen graben. Die Sonne brannte und wir kamen uns vor wie Don Quijote im Kampf gegen Windmühlen. Dann kam wie aus heiterem Himmel „Engel Achim“, ein Privatier aus Kaiserslautern, mit seinem Radlader und einem kleinen Schaufelbagger am Heck. Jetzt sahen wir endlich ein Vorwärtskommen. Zu guter Letzt gesellte sich noch ein Nachbar samt Trecker und Seilwinde dazu. Mit der Seilwinde zog er größere Teile wie z.B. eine blaue 200 l – Regentonne aus Kunststoff unter dem Case hervor. Wir trafen im Schlamm aber auch noch auf drei lebende Flusskrebse, die wir wieder an die jetzt ruhig fließende Ahr brachten. Mit den beiden Traktoren und dem Radlader konnte der Case Schlepper dann in die richtige Position und letztendlich aus dem Schuppen gezogen werden. Etwas über 4 Stunden hatte diese Aktion gedauert. Nun befreiten wir noch einen fast neuwertigen Pferdetransportanhänger und begaben uns anschließend so langsam auf den Heimweg. Gegen 23:45 Uhr, also nach genau 19 Stunden, sind wir wieder am Startpunkt Autobahnanschluss Uedem angekommen. Müde, aber sehr zufrieden.